Stress und Trauma sind Begriffe, die wir oft hören, doch in ihrer Tiefe und Wirkung auf unser Innenleben sind sie weit mehr als oberflächliche Reaktionen. Neueste Erkenntnisse der Traumaforschung zeigen, dass Trauma weniger das Ereignis selbst ist, sondern das, was innerlich als Reaktion auf diese Erfahrung geschieht. Gabor Maté, einer der bekanntesten Forscher, Therapeuten und Autoren auf dem Gebiet hat folgende treffende Formulierung dazu gefunden:
“Trauma is not what happens to you. It is what happens inside you as a result of what happened to you”
Trauma ist also die Wunde, die in uns entsteht, weil wir uns in einer überwältigenden Situation ohnmächtig oder hilflos fühlen. Entscheidend ist dabei zusätzlich, auf welcher Resilienzgrundlage diese Situation geschieht. Der wichtigste Baustein ist dabei das soziale Netz und die Qualität der Bindungen, die wir in der jeweiligen Situation zur Verfügung hatten. Man spricht auch von der Notwendigkeit sogenannter Co-Regulation, also der nötigen Regulation des eigenen Nervensystems durch eine andere Person oder eine Gruppe. Gerade bei Babies und Kindern ist diese Co-Regulation existentiell wichtig, da das individuelle Erleben vollkommen anders sein kann als von den erwachsenen Bezugspersonen. Was dich als Erwachsenen unberührt lässt oder nur latent nervös macht kann für ein so vulnerables Nervensystem eines Kleinkinds in der erlebten Einsamkeit Todesangst auslösen.
Der Ursprung von Trauma und Stress: Worum geht es wirklich?
Laut Gabor Maté ist Trauma nicht das, was dir passiert, sondern das, was in dir passiert. Es ist die Art und Weise, wie dein System darauf reagiert, wenn das Nervensystem überwältigt wird, sei es durch überflutenden Stress, Verletzungen oder Vernachlässigung. In stressvollen oder traumatischen Situationen schaltet unser Körper automatisch in einen Überlebensmodus, was dann eine der drei folgenden Reaktionen hervorruft. Flucht, Kampf oder Starre. Diese Reaktionen sind tief im limbischen System, bzw dem Stamm unseres Gehirns verwurzelt und beeinflussen Körper, Geist und Verhalten langfristig. Vielleicht wirkt Kampf beim Lesen hochwertiger als Flucht oder Starre. Daher ist es mir wichtig, diese drei Reaktionen als gleichwertig zu betrachten als Versuch des Systems für Überleben zu sorgen. Alle drei haben ihre Berechtigung und sowohl Vorzüge als auch schwerwiegende Folgen für das Erleben im Hier und Jetzt auf die Beziehung zu sich selbst als auch zu anderen. Traumatische Erfahrungen haben zudem die Eigenschaft, dass sie nicht integriert sind. Dadurch sind sie leicht triggerbar und können uns in die jeweilige Situation oder Zeit zurückwerfen. Strategien und Abwehrmechanismen zur Unterdrückung von gekoppelten Gefühlen erfordern oft enorm viel Energie. Körperliche Anspannung, chromische Schmerzen oder Müdigkeit sind eine häufige Folge.
Wie Trauma und Stress das Nervensystem beeinflussen: Der Vagusnerv und die Polyvagal-Theorie
Stephen Porges entwickelte die Polyvagal-Theorie, die aufzeigt, wie das autonome Nervensystem in stressigen oder traumatischen Momenten reagiert. Der Vagusnerv, einer unserer Hirnnerven des autonomen Nervensystems, ist für die Regulierung unserer inneren Balance verantwortlich. Laut Porges kann chronischer Stress oder Trauma dazu führen, dass das Nervensystem in einem Zustand permanenter Übererregung verharrt. Menschen fühlen sich dann oft „abgeschnitten“ oder dauerhaft in einem Zustand erhöhter Wachsamkeit – typische Merkmale von Traumafolgen.
Traumaforschung und Körperarbeit: Peter Levine und Somatic Experiencing®
Peter Levine, der Begründer des „Somatic Experiencing“, erklärt, dass Trauma oft im Körper gespeichert wird und nicht allein durch rationale Therapie wie zB. Gesprächstherapie gelöst werden kann (siehe dazu meinen anderen Artikel). Die Methode setzt genau hier an: Durch gezielte Körperwahrnehmung und langsames Wiedererleben und Auftauen von Teilen der stressigen oder traumatischen Erfahrung kann die im Körper festgehaltene Energie allmählich abgebaut werden. Damit wird der Körper befähigt, auf natürlichem Wege die traumatische Spannung freizusetzen und das Nervensystem neu auszubalancieren. Durch diesen Prozess ist es dann auf wunderbare Weise möglich, wieder Zugang zu deiner Lebensenergie zu finden.
Depression und Burnout vs. Trauma: Wo liegt der Unterschied?
Während Depression oder Burnout häufig als Reaktionen auf chronische Überforderung oder andauernde Belastung entstehen, resultiert Trauma aus einer Überforderung, die sich nicht verarbeiten ließ. Der Neurobiologe Bessel van der Kolk beschreibt Trauma als eine „Unterbrechung“ der Verbindung zwischen Körper und Geist und tatsächlich ist es in Hirnscans möglich, die physiologischen Folgen z.B. im Hippocampus und der Amygdala zu sehen. Zentren im Gehirn, welche für das Gedächtnis, bzw. Angstreaktionen zuständig sind. Typische Traumafolgen sind daher die emotionale Taubheit, Flashbacks und eine ständige Wachsamkeit, auch wenn die reale Bedrohung längst nicht mehr besteht. Das Erleben bleibt wie „eingefroren“ im Nervensystem und wirkt unbewusst nach.
Traumatherapie: Ein ganzheitlicher Ansatz
Die neuen Erkenntnisse der Traumatologie zeigen deutlich, dass eine Heilung nur durch ganzheitliche Therapieansätze möglich ist, die Körper und Geist einbeziehen. Somatic Experiencing® ist nur eine der verschiedenen Methoden, welche dem Körper und Nervensystem dabei helfen, wieder zurück zur Balance zu finden. Verena König, bekannt für ihre Arbeit in der traumasensiblen Begleitung, betont die Wichtigkeit, mit traumatischen Erfahrungen behutsam umzugehen. Traumatherapie bedeutet oft, alte Muster, die sich aus Überlebensstrategien heraus entwickelt haben, zu identifizieren und aufzulösen. Dabei kommt es weniger auf die Erinnerung an das Ereignis an, sondern darauf, wie die Folgen im Körper und Nervensystem verankert sind. Trauma ist ein Erlebnis, das den Menschen tiefgreifend prägt und oft das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit im eigenen Körper und Umfeld erschüttert.
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