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AutorenbildSebastian Hofer

Angstzustände: Symptome, Ursachen und was wirklich hilft

Aktualisiert: 7. Nov.

Angst ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf Bedrohungen. Bei Angstzuständen handelt es sich jedoch um anhaltende und überwältigende Gefühle von Sorge, Unruhe und Furcht. Die Symptome können von körperlichen Reaktionen wie Herzrasen, Schweißausbrüchen und Zittern bis hin zu Schlafproblemen und anhaltender innerer Unruhe reichen. Besonders nachts fühlen sich Betroffene oft am stärksten belastet, da sie von ständiger Unruhe oder sogar Panikattacken heimgesucht werden.


Anrollende Welle als Symbol für Angst

Verborgene Ursachen von Angstzuständen: Komplexes Trauma und unterdrückte Impulse

Ängste sind oft tiefer verankert und können das Ergebnis von unterdrückten Impulsen oder unaufgearbeiteten Erlebnissen sein, die sich im Nervensystem festgesetzt haben. Forschungsergebnisse aus der Traumatherapie – besonders die Arbeit von Experten wie Gabor Maté oder Peter Levine – zeigen, dass oft unbewältigte, frühere Erfahrungen für chronische Angstzustände verantwortlich sind. Diese „unterdrückten Impulse“ oder ungelösten Reaktionen auf Stress bleiben im Nervensystem „stecken“ und tauchen als körperliche Symptome und Ängste auf.


Peter Levine, der Begründer der Somatic Experiencing® (SE)-Therapie, beschreibt in seinem Ansatz verschiedene Phasen, die dabei helfen, das Nervensystem von Trauma und Stress zu befreien. Die Methode basiert auf der Beobachtung natürlicher Stress- und Entladungsreaktionen, wie sie auch bei Tieren zu beobachten sind. Diese Phasen bieten eine Struktur, um schrittweise von einem Zustand der Immobilität oder Erstarrung zurück zu einem Zustand von Ruhe und Sicherheit zu gelangen. Bei chronischen Angstzuständen kann es also sein, dass dein Nervensystem sozusagen stecken geblieben ist in einer Phase. Hier sind die Phasen, wie sie von Peter Levine erläutert werden:


1. Immobilität ohne Ladung

Diese Phase bezieht sich auf einen Zustand der Ruhe oder Entspannung, bevor eine Ladung von Energie oder Erregung aufgebaut wird. In dieser Phase gibt es keine Bedrohung oder Gefahr, und das Nervensystem befindet sich in einem ausgeglichenen Zustand. Dies kann als Zustand der Sicherheit gesehen werden, in dem der Körper entspannt ist.

2. Grasen (Explorationsmodus)

Die Phase des „Grasens“ ist durch ein Zustand der entspannten Neugier geprägt. Der Körper ist wach, aber nicht angespannt, und das Nervensystem scannt die Umgebung in einer offenen und achtsamen Weise. Dies ist vergleichbar mit einem Tier, das beim Grasen den Blick sanft auf seine Umgebung richtet und dabei potenzielle Gefahren wahrnimmt, ohne dass dies eine intensive Reaktion auslöst.

3. Innehalten

Diese Phase des Innehaltens ist ein Moment der Unterbrechung, in dem das Nervensystem eine potenzielle Bedrohung „erfühlt“, ohne dass eine sofortige Handlung erfolgt. Es ist ein Zustand der erhöhten Aufmerksamkeit, eine Art Schwebezustand, in dem noch keine konkrete Abwehrreaktion aktiviert ist. Hier zeigt sich eine anfängliche Orientierung auf die potenzielle Bedrohung, ohne dass diese jedoch vollends wahrgenommen wird.

4. Vorbereitende Orientierungsreaktion (Ahnung)

Die vorbereitende Orientierungsreaktion tritt auf, wenn der Körper beginnt, eine potenzielle Gefahr intensiver zu „ahnen“ oder zu spüren. In dieser Phase stellt sich das Nervensystem auf die Möglichkeit einer Bedrohung ein. Der Körper bleibt noch ruhig, jedoch werden alle Sinne geschärft, um mehr Informationen über die Umgebung zu sammeln. Die „Ahnung“ ist wie ein erster Impuls, der die Aufmerksamkeit auf das mögliche Risiko lenkt.

5. Aufschreckreaktion

Die Aufschreckreaktion ist eine sehr schnelle, reflexartige Reaktion des Körpers auf plötzliche, unerwartete Stimuli oder Bedrohungen. Man kann sich das als ein „Zucken“ vorstellen, das unmittelbar auftritt, wenn wir beispielsweise ein lautes Geräusch hören. Diese Reaktion dient dazu, die Aufmerksamkeit sofort auf eine potenzielle Gefahr zu richten und das Nervensystem auf das zu mobilisieren, was als Nächstes passiert. Hier werden alle Sinne geschärft, der Körper versetzt sich in Alarmbereitschaft, aber es gibt noch keine spezifische Strategie wie Flucht oder Verteidigung.

6. Defensive Orientierungsreaktion

Wenn die potenzielle Gefahr als ernsthafter erkannt wird, wechselt das Nervensystem in die defensive Orientierungsreaktion. Hierbei fokussiert sich die Wahrnehmung gezielt auf die Bedrohung. Der Körper geht in Alarmbereitschaft, was typische physiologische Reaktionen wie Herzklopfen, flacheres Atmen und eine fokussierte Aufmerksamkeit auf die Gefahr mit sich bringt. In dieser Phase ist das System auf eine defensive Reaktion vorbereitet.

7. Mobilisierung und Selbstschutz

In der Phase der Mobilisierung geht der Körper in eine aktive Selbstschutzreaktion über. Hier kann es zu klassischen Kampf- oder Fluchtimpulsen kommen, die dem Körper ermöglichen, aus der Gefahrensituation zu entkommen oder sich zu verteidigen. Diese Reaktionen bauen eine hohe Energie auf, die für die tatsächliche Verteidigung oder Flucht benötigt wird.

8. Rein in die Starre

Wenn die Bedrohung als ernsthaft erkannt wird und eine schnelle Reaktion nicht möglich oder erfolgreich scheint, geht das Nervensystem in eine Starre- oder Totstell-Reaktion über. Diese Reaktion tritt auf, wenn Kampf oder Flucht nicht mehr möglich sind und der Körper sich in einen Zustand der Immobilität versetzt. Wichtig dabei ist, dass im Sinne des Überlebensinstinkts die Starre gleichwertig ist mit Kampf und Flucht. Der Körper entscheidet hier autonom für uns, was in der jeweiligen Situation am zielführendesten und überhaupt noch möglich ist. Die Muskeln sind angespannt, aber der Körper bleibt regungslos, fast wie eingefroren, was evolutionär oft als Schutzmechanismus diente, da ein bewegungsloses Lebewesen für Fressfeinde weniger auffällig sein kann.

Levine beschreibt diesen Zustand als eine extrem hohe Erregung im Körper, die jedoch festgehalten wird – der Körper "friert ein" und hält die Energie zurück. In der Therapie ist es wichtig, dass Betroffene lernen, diese eingefrorene Energie sanft zu entladen, um das Nervensystem zu stabilisieren und Trauma langfristig zu lösen.

9. Entladung und Integration

Nach dem Überleben der Gefahr ist die Entladung dieser angesammelten Energie entscheidend. Levine betont, dass ohne Entladung die im Körper gespeicherte Energie als „eingefrorene“ Ladung bestehen bleibt und zu langfristigen Trauma-Symptomen wie auch chronische Angstzustände führen kann. Die Entladung ist ein natürlicher Vorgang, bei dem die überflüssige Energie abgegeben wird, oft durch Zittern, tiefes Atmen oder Bewegungen, die helfen, das Nervensystem wieder in einen ausgeglichenen Zustand zu bringen.


Diese Phasen zeigen auf, wie der Körper auf Bedrohungen reagiert und wie wichtig es ist, diese Prozesse bewusst zu verstehen und durchlaufen zu können, um sich langfristig zu stabilisieren. Somatic Experiencing® unterstützt Betroffene dabei, eingefrorene Energien zu lösen und wieder Zugang zu einem Gefühl von Sicherheit und Selbstregulation zu finden.


Was hilft gegen Angstzustände?

  1. Atemübungen und Meditation: Tiefe, bewusste Atmung kann den Körper beruhigen und den Herzschlag normalisieren. Versuche es mit Atemtechniken wie der 4-7-8-Methode, bei der du vier Sekunden einatmest, sieben Sekunden den Atem anhältst und acht Sekunden lang ausatmest. Eine weitere sehr wirkungsvolle Methode ist Yoga Nidra bzw. Non Sleep Deep Rest. Dazu gibt es angeleitete, kostenlose Meditationen z.B. auf Insight Timer oder auf Youtube.

  2. Körperpsychotherapie und Trauma-Arbeit: Der bewusste Kontakt mit unterdrückten Emotionen und Erinnerungen – unter Anleitung einer erfahrenen Fachkraft – kann helfen, tief verwurzelte Ängste nachhaltig zu lösen.

  3. Selbstfürsorge und Achtsamkeit: Auch kleine Pausen, Momente der Achtsamkeit und regelmäßige Bewegung tragen dazu bei, das innere Gleichgewicht zu stärken und Stress abzubauen.

  4. Nährstoffreiche Ernährung: Achte auf eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Kalium und Magnesium, um dein Nervensystem zu unterstützen.


Was hat Kaliummangel mit Angstzuständen zu tun?

Ein oft übersehener Aspekt ist der Zusammenhang zwischen Angst und Nährstoffmängeln, insbesondere Kaliummangel. Kalium ist wichtig für die Regulierung von Nerven- und Muskelfunktionen, und ein niedriger Kaliumspiegel kann Symptome wie innere Unruhe und Nervosität verstärken. Wenn du also häufiger unter starker Anspannung oder Herzklopfen leidest, könnte ein Check des Kaliumspiegels hilfreich sein. Dann ist es zusätzlich möglich, dass eine sogenannte Überkopplung vorliegt zwischen dem reinen körperlichen Symptom des Herzklopfens und der Anspannung und der gefühlten Interpretation der Angst, die dann häufig eher kognitiv ist.

Eine kaliumreiche Ernährung, etwa durch Bananen, Avocados oder Spinat, kann das Nervensystem beruhigen und den Körper stärken


Fazit

Angstzustände sind oft ein Zeichen dafür, dass der Körper versucht, ungelöste, tief liegende Spannungen zu verarbeiten. Durch das Erkennen und gezielte Verarbeiten dieser Blockaden – in Kombination mit einem achtsamen Umgang und einer körperorientierten, traumasensiblen Begleitung – kann es gelingen, das Nervensystem nachhaltig zu entlasten und wieder ein Gefühl innerer Sicherheit zu finden. Wenn du regelmäßig mit Angstzuständen zu kämpfen hast, könnte eine Kombination aus Körperarbeit, Ernährung und therapeutischer Unterstützung langfristige Linderung verschaffen.


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